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Titel
Fleeting Cities. Fleeting Cities


Autor(en)
Geppert, Alexander C. T.
Erschienen
New York 2013: Palgrave Macmillan
Anzahl Seiten
398 S.
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Isabella Löhr, GWZO - Geisteswissenschaftliches Zentrum Geschichte und Kultur Ostmitteleuropas, Universität Leipzig

In Überblicken zur Geschichte grenzüberschreitender Netzwerke sind Weltausstellungen ein beliebtes Sujet. So räumt Emily Rosenberg Weltausstellungen einen herausgehobenen Platz ein, wenn sie diese als kulturelle Ereignisse mit globaler Bedeutung beschreibt, die den Transfer von Personen, Gütern und Wissen bündelten und damit zu «Knotenpunkten» avancierten, die globale Interaktion an einem konkreten Ort für ein breites Publikum sichtbar machten.1 In diesem Sinn knüpft die 2010 erstmals erschienene und nun als Paperback vorliegende Studie von Alexander Geppert an die Lesart von Weltausstellungen als «spaces of modernity» (S. 3) an, die ein komplexes Zusammenspiels von Nationalismus und Internationalismus charakterisierte. Gleichzeitig setzt Geppert seine Studie von dieser Perspektive auf Weltausstellungen explizit ab. Er ordnet das Sujet und die fünf untersuchten Ausstellungen, die zwischen 1896 und 1931 in Paris, London und Berlin stattfanden, in einen europäischen Kontext ein. Allerdings versteht Geppert die Ausstellungen nicht als Bestandteil einer nationalen Identitätsbildung und analytisch bettet er sie auch nicht in eine Gegenüberstellung von «europäischem Selbst» und «kolonialen Anderen» ein. Stattdessen liegt der Fokus auf der Trias Moderne, Medialität/Repräsentation und Urbanität. Der Autor versteht die Weltausstellungen als «overlapping series of networks that evolved over time» (S. 4). Als solche hatten sie immer nur vorübergehenden Charakter. Trotzdem, so die These, wirkten sie traditionsbildend auf das Medium Ausstellung und hinterliessen Spuren im urbanen Raum. Es ist diese Kontextualisierung der Ausstellungen in der jeweiligen städtischen Landschaft, die Gepperts Studie zumindest teilweise aus der konventionellen Lesart der Weltausstellungen als Orte der globalen Moderne herauslöst. Zu diesem Zweck fokussiert er zum einen auf die Akteure, die die Ausstellungen planten, organisierten und durchführten; zum anderen setzt er die Ausstellungen selbst in einen Zusammenhang, um so strukturelle Ähnlichkeiten und zeitgenössische Popularität zu verstehen. Die Rede vom spatial turn bekommt in dieser Anwendung eine spezifische Stossrichtung. Raum meint hier nicht Welt oder Globus, sondern den konkreten städtischen Raum und die Art und Weise, wie die Welt in diesem vorgestellt wurde.

Dieses Programm wird in fünf Kapiteln umgesetzt, die sich mit der Berliner Gewerbeausstellung 1896, der exposition universelle von 1900 in Paris, der französisch- britischen Ausstellung 1908 in London, der Empire-Ausstellung 1924 in Wembley und der französischen Kolonialausstellung 1931 in Vincennes beschäftigen. Alle Kapitel halten Skizzen von Ausstellungsgeländen, zeitgenössische Übersichtskarten oder Fotografien bereit, was das Gelesene auf bereichernde Art und Weise veranschaulicht. Analytisch sind die Kapitel vergleichbar aufgebaut: Sie untersuchen erstens Planung, verantwortliche Akteure, Interessen und Konflikte, zweitens die Ausstellungen und die dazu gehörigen Selbst- und Fremdbilder sowie drittens die Rezeption. Die Einbettung der Ausstellungen in die zwei übergeordneten Kontexte – den städtischen Raum sowie die transnationalen Bezüge – kommt dabei unterschiedlich intensiv zum Tragen. Bei der Berliner Gewerbeausstellung gilt die Aufmerksamkeit den Gründen für das Scheitern einer von staatlichen Stellen geleiteten und verantworteten Ausstellung; Berlin als Stadt kommt nur über das Ausstellungsgelände Treptower Park ins Spiel. Anders sieht dies bei der Pariser Ausstellung von 1900 aus: indem der Autor das Ausstellungsgelände Champ de Mars als «Palimpsest» (S. 65) interpretiert, gelingt ein komplexer Bezug auf die militärischen, revolutionären, imperialen, nationalen und republikanischen Konnotationen dieses Terrains. Hier wie auch in den folgenden Kapiteln erfährt der Leser viel über die eigentliche Ausstellung und Geppert argumentiert, dass die Vielfalt und Heterogenität der Ausstellung weniger das Anzeichen einer Wende zum Spektakulären als vielmehr ein Spiegel der Metropole Paris gewesen sei.

Die Analyse der britisch-französischen Ausstellung von 1908 löst am ehesten das in der Einleitung angekündigte Versprechen ein, die Ausstellungen in ihren transnationalen Zusammenhängen zu rekonstruieren und zu zeigen, wie sich ein eigenes Genre formte, das weniger im nationalen Kontext verortet war als vielmehr durch die Initiatoren geprägt wurde. Dazu fokussiert Geppert auf Imre Kiralfy, den er als «superman in the exhibition world» (S. 104) einführt. Dieser verantwortete die Ausstellung und sein Konzept rührte von einer 30-jährigen Beobachtung anderer Grossausstellungen. Im Vergleich dazu beginnt das Kapitel zur Empire-Ausstellung in Wembley 1924 mit der Überlagerung unterschiedlicher nationaler Erinnerungen, die mit dem eigens für die Ausstellung gebauten Stadium verknüpft sind. Geppert unterzieht die Ausstellung einer nuancierten Interpretation. Hier wird die grossflächige Repräsentation der Dominions, Kolonien und abhängigen Gebiete – plausibel vorgeführt an der Interpretation der Indian Section – sowie die besondere Betonung des Imperialen als Zeichen einer substantiellen Krise interpretiert, in der sowohl das britische Empire als auch das Ausstellungsmedium steckten. Die Analyse der französischen Kolonialausstellung 1931 zeigt die Stärke der Studie: Mithilfe einer breiten Quellengrundlage, zu denen viele Bildquellen gehören, unterzieht Geppert Gelände und Ausstellung einer präzisen Analyse, die am Ende den ideologischen Bias gängiger Interpretationen offenlegt, in diesem Fall die Gegenüberstellung von Zivilisation und kolonialer Wildheit.

Im ausführlichen Fazit führt Geppert die verschiedenen thematischen und konzeptionellen Stränge zusammen und stellt die Vielschichtigkeit und die entsprechend unterschiedlichen Möglichkeiten heraus, die Ausstellungen zu lesen. Geppert will seine Überlegungen hier als Grundlage für eine Theorie der europäischen Ausstellungspraktiken verstanden wissen, die er auf drei Elementen aufbaut, der «exhibitions’ transitional nature» (S. 243), dem Spannungsfeld zwischen Raum, Ort und Repräsentation sowie der Ausstellungen als einer Art Zeit- und Raumverdichtung (chronotope). Für die zentrale These vom transnationalen Charakter der Ausstellungen, basierend auf einem breiten Netzwerk von professionellen Ausstellungsmachern, bleibt Geppert leider den empirischen Beweis schuldig; er verweist nur auf eine Übersicht im Anhang mit kurzen biographischen Informationen zu wichtigen Akteuren. Damit nimmt sich die Studie ein wichtiges und historiographisch relevantes Erklärungspotential. Versuche, das historiographisch innovative Potential herauszustellen mit dem Hinweis, dass zeitgenössische Äusserungen von dem zur Analyse benutztem Vokabular getrennt werden müssen, wirken dagegen komisch. Denn immerhin beruft er sich hier auf eine methodische Grundlage des Faches, die in jedem Proseminar gelehrt wird und sich deswegen nur bedingt eignet, als konzeptionelle Grosstat angepriesen zu werden. Diese Kritik soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Geppert eine kenntnis- und detailreiche, sehr gut leserliche und anregende Studie geschrieben hat, die neue Einsichten bietet und dem Leser den Gewinn einer nuancierten historischen Kontextualisierung eines vermeintlich bekannten Gegenstands vor Augen führt.

1 Emily S. Rosenberg, Transnationale Strömungen in einer Welt, die zusammenrückt, in: dies. (Hg.), Weltmärkte und Weltkriege 1870–1945, München 2012, S. 816–1078.

Zitierweise:
Isabella Löhr: Rezension zu: Alexander C. T. Geppert, Fleeting Cities. Imperial Exhibitions in Fin-de-Siècle Europe, New York: Palgrave MacMillan, 2013. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte Vol. 65 Nr. 3, 2015, S. 503-505.

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Zuerst veröffentlicht in

Schweizerische Zeitschrift für Geschichte Vol. 65 Nr. 3, 2015, S. 503-505.

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